KEPENEK

 
2_UBS Magazin_Mia Kepenek_01.jpg
2_UBS Magazin_Mia Kepenek_02.jpg

Von der Höhle zum Loft: Wie haben sich unsere Ansprüche ans Wohnen verändert?
Schwehr: Die Höhle bot Schutz. Diese Schutzfunktion muss jedes Gebäude erfüllen. Doch heute können wir es uns leisten, unsere Höhle einzurichten. Und sie soll immer mehr Funktionen übernehmen. So wird unser Schutzraum zum Handlungsraum. Wir wollen darin entspannen, miteinander kommunizieren, arbeiten – uns wohlfühlen.

Mittlerweile lässt sich das Phänomen «Homing» beobachten: Das Zuhause wird inszeniert und zum sozialen Mittelpunkt.
Kepenek: Ich habe bei mir zu Hause sogar die Ausstellungsreihe «At home by Mia Kepenek» realisiert. Ich wollte ausgewählte Produkte von befreundeten Schweizer Produktdesignern in meinem Heim präsentieren. Denn nur so lassen sich die Objekte authentisch erleben – das ist ganz anders, als sie beim Möbelhändler oder in Showrooms zu besichtigen.

Welche weiteren Trends zeichnen sich beim Wohnen ab?
Schwehr: Erstens nimmt unsere Lebenserwartung zu. Wie müssen wir Wohnungen arrangieren, um möglichst lange bequem darin leben zu können? Zweitens finden Wohnen, Arbeiten und Freizeit zunehmend unter einem Dach statt. Wie lassen sich Wohnungen sinnvoll hybrid gestalten? Drittens versprechen gemeinsam genutzte Infrastrukturen oft mehr Lebensqualität. Man braucht kein eigenes Büro und kein Gästezimmer mehr, wenn sich beides im Mehrfamilienhaus oder im Quartier befindet. Dagegen muss das Einfamilienhaus alles selbst leisten – obgleich Budget und Platz beschränkt sind.

Was braucht es, damit ich mich in meinem Wohnraum wohl fühle? Kepenek: Das ist sehr individuell. Wenn ich für Kunden nach der Einrichtung suche, befasse ich mich mit ihnen und ihrem kulturellen Hintergrund.
 

Vorlieben können sich allerdings ändern. Derzeit fühle ich
mich mit kühleren Farben wohl, etwa mit Grau- und Blautönen.
Schwehr: Die Wohnung soll sich den Nutzern anpassen, nicht umgekehrt. Sie muss mich zum Gebrauch auffordern. Gebrauchsspuren zeugen von Lebendigkeit und erlauben ein würdevolles Altern. Doch nicht alle Materialien unterstützen das gleichermassen. Zum Beispiel wirkt Holz wärmer und toleranter als ein Superhochglanzglaspanel, das bei jedem Fingerabdruck schreit: «Putz mich!»

Welches sind die häufigsten Fehler bei der Raumgestaltung?
Kepenek: Das Licht wird oft vernachlässigt. Es macht Tätigkeiten wie Lesen oder Essen erst möglich. Wir wollen doch sehen, was wir auf dem Teller haben! Licht schafft zudem Atmosphäre. Schön sind Kombinationen von atmosphärischer Beleuchtung und Lichtakzenten. Ferner wird die Akustik unterschätzt, obwohl die Wahrnehmung von Geräuschen unser Raumgefühl beeinflusst. Viele Menschen empfinden dunkle Farben als eher trostlos. Dabei schaffen diese auch Wärme. Beim Betreten des Raums vermitteln sie Ruhe und Geborgenheit.
Schwehr: Meist fehlen den Baubeteiligten die Gesamtsicht und der Blick in die Zukunft. Man wagt es nicht, zu fragen: Was geschieht, wenn sich das Paar scheiden lässt, einen Hund kauft, Kinder bekommt? Hier empfiehlt es sich, mit Szenarien zu arbeiten. Dann kann sich die Wohnung mit einem entwickeln.

Wie gelingt es, ein Eigenheim flexibel zu gestalten?
Schwehr: Eine Strategie besteht darin, die Räume gleichwertig zu konstruieren. So umfassen manche 150 Jahre alten Wohnungen fünf ähnliche Zimmer mit quadratischen Grundrissen. Das macht sie flexibel nutzbar. In den 60er-Jahren stellte man dagegen Wohnungen mit sehr spezifischen Grundrissen – etwa winzigen Kinderzimmern – auf. Je spezifischer


 
 

man Räume plant und mit Technik verknüpft, desto schwieriger ist es, sie unterschiedlich zu nutzen und die Systeme zu entflechten.

Wie wirken Räume auf unser Verhalten ein?
Schwehr: Mensch, Gebäude und Umwelt beeinflussen sich gegenseitig. Die Architektur transportiert Aussagen. Sie kann uns aufbauen oder einschüchtern. In repräsentativen Bauten bewirken Treppen, dass man aufrecht schreitet. In den Teppichetagen der Firmen sind die Schreibtische so platziert, dass deutlich wird, wer der Chef ist. Die Kunst für Architekten besteht darin, die Bauten den Eigenschaften der Nutzer anzupassen. Gelingt das, spricht man in der Architekturpsychologie von Passung.
Kepenek: Unsere Räume verändern sich mit unserem Bewusstsein. Das sieht man beispielsweise am Badezimmer. Weil wir heute einen Körperkult pflegen, steht das Bad näher an den Schlaf- und Wohnräumen und ist grosszügiger zügiger geworden. Häufig wird es zur Wellnessoase.

Ein weiteres Beispiel: Wenn der Gastgeber am Herd hantiert, mag er nicht mehr von der Gesellschaft ausgeschlossen sein. Er möchte im Mittelpunkt stehen – die Geburtsstunde der Kochinseln mit fliessenden Übergängen vom Kochen zum Wohnen.


Die Wohnung sei ein Spiegel der Seele, sagt der Volksmund.


Schwehr: Eine Wohnung lässt Rückschlüsse auf die Gepflogenheiten ihrer Nutzer zu. Das beginnt schon bei den Vorhängen: Einige wollen sich abgrenzen, andere gewähren Einblicke. Aber selten wird eine Wohnung ganz neu eingerichtet. Häufig ziehen Partner zusammen und bringen Möbel mit. Nur was einem wichtig ist, behält man.
Kepenek: Die Wohnung kann unterschiedliche Anforderungen spiegeln. Vielleicht enthält sie repräsentative Elemente, die zeigen, wie man gerne wahrgenommen werden möchte.

 
 
 
2_UBS Magazin_Mia Kepenek_03.jpg
 

Hell und harmonisch. Tanja Siegwart und Marco Gander wohnen mit ihren Hunden in einem Haus am Vierwaldstättersee. Daneben steht ein 300-jähriger Spycher, den sie zum Ferienidyll umgebaut haben («Im Spycher»). Ihr Zuhause ist für sie ein Rückzugsort.

2_UBS Magazin_Mia Kepenek_08.jpg
 

Individualität wagen.
Folgen Sie nicht einfach dem Diktat der Mode.
Der Experte fürs Wohnen sind Sie.


Rückzugsorte schaffen.
»Klein, aber fein» hat viele Vorteile. Aber Sie
benötigen zu Hause auch Privatsphäre.


Szenarien durchspielen.
Leben bedeutet, sich zu verändern. Gestalten Sie
Ihr Heim so, dass es flexibel nutzbar ist.


Licht planen.
Nutzen Sie so weit wie möglich das Tageslicht.
Und planen Sie den Einsatz von Leuchten.


Umfeld berücksichtigen.
Berücksichtigen Sie bei der Wohnungswahl die
Leistungen, die Sie in der Nähe beziehen können.

2_UBS Magazin_Mia Kepenek_07.jpg
 

Oder es finden sich Rückzugsorte, die private Eigenschaften verraten. Wenn Socken verstreut herumliegen, deutet dies beispielsweise nicht gerade auf Ordnungssinn…

Welchen Unterschied macht es, ob ich im Eigenheim oder in der Mietwohnung lebe?
Schwehr: Im Mehrfamilienhaus kommt es regelmässig zu Begegnungen. Deshalb ist hier die Gefahr der Vereinsamung im Alter geringer. Kepenek: Allerdings kann ein Eigenheimbesitzer mehr selbst gestalten und investiert öfter in sein Zuhause. Das verlangt zugleich mehr Fachwissen und Engagement. So benötigt zum Beispiel ein geölter Parkettboden intensivere Pflege als ein versiegelter Parkettboden.

Was, wenn das Budget fürs Wohnen klein ist?
Kepenek: Es muss nicht alles neu und teuer sein, damit man sich wohlfühlt. Standardmöbel sind nicht zwingend schlechter als Designerstücke. Ich funktioniere gerne Objekte um. So habe ich etwa aus einem Container einen Salontisch gemacht. Was man bearbeitet hat, bedeutet einem etwas. Aber: Auch in einer kleinen Wohnung muss ich mich zurückziehen können.

Wie wohnen Sie selbst?
Kepenek: Ich komme mit wenig aus. Diese Reduktion dient mir als Ausgleich zu meiner Arbeit. Ich betrachte farbige Wände als eine Leinwand für die Inneneinrichtung, denn vor einem dunklen Hintergrund kommt ein Möbeldesign besonders gut zur Geltung. Unsere Küche und die Bäder sind sehr hell gehalten, die Stube ist farblich eher heruntergedimmt.
Schwehr: Ich wohne in einem 100 Jahre alten umgebauten Schulhaus in Farnbühl. Da gefallen mir etwa die grosszügige Schulhaustreppe mit den Spuren der intensiven Nutzung und die intelligente Struktur, welche die Transformation in einen Wohnraum erst ermöglicht hat. Und natürlich freut es mich, dass im obersten Stock noch das ehemalige Hausmeisterpaar wohnt.

2_UBS Magazin_Mia Kepenek_06.jpg
 
2_UBS Magazin_Mia Kepenek_05.jpg
 
2_UBS Magazin_Mia Kepenek_04.jpg