KEPENEK

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«So, wie jeder Mensch einzigartig ist, gestalten sich auch unsere Projekte», sagt Mia Kepenek. Die gebürtige Stuttgarterin hat sich nach einer Schreinerausbildung den Studiengängen der Innenarchitektur und des inszenatorischen Designs gewidmet sowie in der Möbelrestauration, dem Ausstellungsdesign und dem Szenenbild bei Film und Theater Erfahrungen gesammelt. 2012 gründete Mia Kepenek nach Stationen in verschiedenen Firmen in Deutschland, Holland und der Schweiz das Innenarchitektur- und Designbüro Kepenek GmbH in Zürich. Der Aufgabenbereich umfasst die Realisierung von Ausstellungs-, Geschäfts- und Wohnräumen.
www.kepenek.ch

Frau Kepenek, Sie haben unter anderem beim Projekt «Kunzareal, Spinnerei in Windisch» (ab Seite 48) Erfahrung in der Gestaltung von Lofts gesammelt. Welche Möglichkeiten bieten Lofts respektive Industriehallen – von der Einrichtung, Wohnform und Nutzung her –, die konventionelle Wohnungen und Häuser nicht bieten?
Die Offenheit und Helligkeit in Loft-Etagen oder -Hallen lässt sich in anderen Wohnformen selten finden. Somit ist jedes Loft durch seine individuellen Nutzungsmöglichkeiten einzigartig. Man hat die Möglichkeit, grosszügig zu denken und meist auch Räume und Zonen selbst zu definieren. Ob alles ganz offen gelassen, eine klassische Raumabfolge definiert oder tatsächlich Raum in Raum gestellt wird, bleibt den Bewohnern selbst überlassen. In konventionellen Wohnungen und Häusern ist die Nutzung bestimmter Räume meist durch den vorgeplanten Grundriss bestimmt. Im Loft gestaltet man im leeren Raum seine ganz eigene Wunschvorstellung vom perfekten Wohnen.

Oftmals erwerben Interessenten das Loft im Rohbau. Wie ist das weitere Vorgehen?
Als Innenarchitektin lege ich zuallererst mit der Bauherrschaft den Nutzen des Lofts und

ihre entsprechenden Wünsche fest. Ich achte darauf, Traumvorstellungen sowie wohnlichen Bedürfnissen gleichermassen gerecht zu werden. Wie so oft gilt es, die ideale Balance zu finden. Ist das Loft zum Beispiel als Familienwohnung geplant, werden trotz offenem Grundriss bald Themen wie Rückzugsmöglichkeiten und Zonierung angesprochen. Sind die grundsätzlichen Bedürfnisse und Wünsche einmal festgelegt, werden Einbauten wie Wände, Bad und Küche definiert und entworfen.

Wann sind Unterteilungen in einem Loft sinnvoll und wann ist davon abzuraten?
Diese Entscheidung hängt ganz vom persönlichen Geschmack sowie den Bedürfnissen der Kundschaft ab. Sicherlich empfehle ich, den Bereich mit WC-Einbauten nicht komplett ge- öffnet zu belassen. Abtrennungen können jedoch mit Regalen, halbhohen oder verschiebbaren Wänden sowie halbtransparenten, mobilen Raumteilern vollzogen werden. Feste Anschlüsse für Bad und Küche legen aus technischer Notwendigkeit eine bestimmte Zonierung nahe. Oftmals ergibt sich diese auch durch die Möblierung – und bleibt somit flexibel. Das ist das Schöne an Lofts: Es gibt genügend Platz und es kann jederzeit wieder umgestellt werden.


 

Wie lässt sich auch ohne bauliche Unterteilungen eine optische Ordnung im Raum erzielen?
Teppiche, Stehleuchten und bestimmte Anordnungen
von Möbeln sowie sogenannte Farb und Formen-Universen sind einfache Mittel, um etwa eine Leseecke vom Essbereich abzugrenzen. Jeweils ein Element wie eine Farbe, ein Material oder auch Pflanzen, das sich in jeder Zone wiederholt, lässt das gesamte Loft als Einheit erscheinen. Auch der Wechsel des Fussbodenbelags als Beispiel beim Übertritt in die Küche signalisiert eine neue Zone – oder der Wechsel von Steinboden zu Parkett im Wohnzimmer.

Sie haben gerade das Loft als Einheit angesprochen. Wie wichtig ist diese optische Einheit für ein Loft?
Das hängt jeweils von den Wünschen der Bewohner
ab. Einigen ist ein Gleichklang in der Gestaltung wichtig, andere wiederum wünschen es abwechslungsreicher. Auch das ist selbstverständlich in einem Loft möglich.

Und wie lassen sich die bereits erwähnten Rückzugsmöglichkeiten schaffen? Bei Lofts hat man aufgrund der beachtlichen Raumhöhe fast immer die Möglichkeit, «die Wände hoch zu denken». Ein Rückzugsort kann entsprechend eine frei schwebende Galerie oder eine gemütliche Lesenische in einer langen, hohen Bücherwand darstellen. Soll es doch ein ausgesprochener Rückzugsraum sein, empfehle ich meist, auf Schiebewände zurückzugreifen. Diese können beliebig weit zugeschoben oder offen stehen gelassen werden. Sie eignen sich zudem zur Abtrennung des Schlafbereichs.

Worauf achten Sie besonders bei der Umnutzung einer Industriehalle in ein Loft?
Originalmaterialien und deren Oberflächen sollen möglichst erhalten bleiben. Beton und
Metall etwa tragen massgeblich zum Charme eines Lofts bei. Neue Einbauten wie Wände und Möbel aus Holz schaffen derweil Behaglichkeit im kargen Raum und nehmen sich dennoch zurück.

Welche Materialien eignen sich besonders für die Gestaltung eines Lofts?
Gehen wir einmal von Beton als Grundmaterial aus. Echtholz für Böden oder Einbauten in Wohnräumen eignet sich in diesem Falle, um eine schlichte und doch behagliche Atmosphä-
re zu kreieren. Dunkle Oberflächen bilden eine elegante Lösung in Küche oder Bad. Um die Grosszügigkeit der Wohnfläche zu unterstreichen,
werden fugenlose Bodenbeläge wie zum Beispiel Linoleum eingesetzt. In seiner Eigenschaft
als Industriematerial passt dieses besonders gut in das Ambiente und ist trotz seiner meist eher kühlen Ausstrahlung fusswarm und bringt Schallschutz mit.

Was gilt es bei der Auswahl der Farben respektive der Erstellung eines Farbkonzepts zu beachten? Das typische Betongrau der meisten Lofts ist eine dankbare Leinwand für zahlreiche Farbstimmungen. Sowohl helle Pastelltöne als auch dunkle, erdige Farben treten vorteilhaft hervor. Und: Loft ist Licht! Aus dieser Sicht bedarf es deshalb meist keiner besonderen Rücksicht, man kann sich austoben und Farben in grossen Räumen auch grossflächig verwenden. Kleine bunte Flächen oder Details gehen hingegen genau wie zu kleine Möbel darin verloren.

Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Fehler bei der Gestaltung von Lofts?
Das sind für mich zu kleine Möbel oder Farbflächen. Man darf auf keinen Fall von den Proportionen ausgehen, die wir etwa von Neubauten gewohnt sind. Eine Übertragung der Möbelkonzepte ist nicht möglich. Ein treffendes Beispiel ist ein Esstisch in den üblichen Dimensionen. Dieser wird sich in einem Raum von 50 Quadratmetern oder mehr und bei einer Raumhöhe, die 2,40 Meter bei Weitem übersteigt, verlieren.

Die Beleuchtung eines Lofts kann die Bewohner trotz des vielen Tageslichts wegen ebendiesen Raumgrössen und vor allem der Höhen vor eine  Herausforderung stellen.
Welches sind hierzu Ihre Tipps?

Think big! Im Leuchten-Bereich gibt es spannende Produkte, die sich optimal in Lofts einfügen lassen. Warum nicht eine lüsterartige Hängeleuchte, die für grosse Foyers gestaltet wurde, über dem Esstisch installieren? Es muss nicht gleich ein massiver Lampenschirm sein. Feine und doch vielgliedrige Entwürfe sehen grosszügig aus, versperren jedoch nicht den Blick im offenen Raum. Ein gutes Beispiel sind die «Wireflow»-Leuchten von Arik Levy für Vibia (siehe Seite 49). Für einzelne Bereiche wie Lese ecken kann man wiederum auf grosszügige Stehleuchten mit geschlossenen Lampenschirmen zurückgreifen.

Haben Sie klare Empfehlungen für die Möblierung von Lofts?
Kleine Möbel und vereinzelte Objekte wirken schnell verloren, da ist also Vorsicht geboten.
Zonen strukturieren den Raum. Sie sollten dennoch offen gehalten werden, um den Gesamteindruck «Loft» zu erhalten und sogar zu unterstreichen. Abgestimmte Gruppierungen von Möbeln, Teppichen und Farben in einzelnen Bereichen, etwa ein Lesesessel mit Stehleuchte und Beistelltisch, grenzen sich optisch und funktional von der Umgebung ab.

Nicht selten stellt die Akustik in Lofts ein Problem dar. Was kann man gegen das Hallen tun?
Das Hallen, oder eben Nicht-Hallen, hat einen grossen Einfluss auf die langfristige Behaglichkeit. Je nach Einbau- und Möblierungswünschen kann man bei der Auswahl der Materialien auf gute
Schalleigenschaften achten. Auch Wohnobjekte wie Teppiche, Sofas oder Vorhänge sollten danach ausgesucht werden. Generell gilt für angenehme Akustik: Grosszügig Textilien verwenden.

Muss man eigentlich ein bestimmter Typ Mensch sein, um sich in einem Loft wirklich wohlzufühlen? Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht so ohne Weiteres beantworten kann. Bei einem Loft entscheidet man sich wie bei anderen Wohnungen auch für eine Wohnform, mit der ein Lebensgefühl verbunden ist. Es lassen sich in einem Loft jedoch viele Wünsche erfüllen, indem man als Innenarchitektin beim Möblierungskonzept individuell auf die Bedürfnisse der Bewohner eingeht. 


Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Vorzüge am Loftwohnen? Haben Sie selbst
auch schon mal in einem Loft gewohnt oder könnten Sie sich vorstellen, einmal eines zu bewohnen?

Ich habe vor einiger Zeit in einer ehemaligen Schokoladenfabrik in Berlin gelebt. Der grösste Vorzug an einem Loft ist für mich die grosse Flexibilität in der Nutzung, die bis zur Kombination von Wohnen und Arbeiten in einem
Raum reicht. Mit meinem Beruf und der damit verbundenen Sammelleidenschaft ist ein Loft für mich durchaus gut geeignet. Ich liebe es ausserdem, meine Wohnung immer wieder neu zu gestalten. Die Gestaltungsfreiheit, die ein Loft bietet, kommt mir persönlich dabei natürlich sehr entgegen. 

Interview: Britta Limper