KEPENEK

 
 
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Die Walzmühle ist eines der bedeutendsten Industrieareale im Kanton Thurgau. Der Produktionsstandort hat eine lange Geschichte und schon viele Industrien beherbergt. Ursprünglich wurde in den denkmalgeschützten Fabrikgebäuden Korn gemahlen, später Schnupftabak hergestellt und schliesslich wurden hier die bekannten Sigg-Flaschen produziert. Gebaut wurde die Walzmühle 1932 vom Unternehmer Josef Anton Müller, einem Visionär, der ein völlig neuartiges Mahlverfahren entwickelte. Bis 1995 wurde der Standort, der auch wegen seiner Lage direkt an der Murg ideal war, industriell genutzt, danach zogen Ateliers, Gewerbe und Bewohner in die alten Bauten ein. 2013 schliesslich erstand die Firma Hiag, die auf Arealentwicklungen spezialisiert ist, die Walzmühle mit einer Grundstückfläche von 15 000 m². Zum Portfolio des Unternehmens gehören unter anderem The Hive in Meyrin

oder die ehemaligen Spinnereien in Aathal und in Windisch. Auf dem Areal mit historischen Bestandsbauten und neuen Gebäuden ist eine gemischte Nutzung von Wohnen und Arbeiten vorgesehen. Die Lage ist attraktiv wegen seiner Nähe zum Naherholungsgebiet und zum Bahnhof Frauenfeld. Das Highlight der Überbauung sind acht Lofthäuser, die vom Frauenfelder Architekturbüro Antoniol+Huber+Partner entworfen wurden. Die Architektur lehnt sich an die Optik der bestehenden Gebäude auf dem Areal an. Deshalb spielt Sichtbackstein die Hauptrolle in der Fassadengestaltung. Alle Einheiten sind doppelgeschossig und verfügen über einen eigenen Innenhof sowie eine Terrasse. Sheddächer sorgen für eine spannende Geometrie des Raumgefüges und bringen zusätzlich Tageslicht in die Wohnräume. Das Konzept der Wohneinheiten ist eine Mischung aus Einfamilienhaus und Loft, d. h. das klassische Einfamilienhaus

wird mit dem offenen Raumgefühl einer Loft verbunden. Die Räume sind grosszügig, die Materialisierung hochwertig, und erst der zweite Blick offenbart, wie raffiniert die Raumgliederung, der Materialmix und die funktionalen Einbauten ausgearbeitet sind. Das ist das Verdienst der Innenarchitektin Mia Kepenek. Bereits 2014 realisierte sie für Hiag die Innenarchitektur mehrerer Lofts in Windisch. Eine Zusammenarbeit, die für beide Parteien sehr erfolgreich gewesen war und unter anderem zum Auftrag für die Gestaltung der acht Lofthäuser auf dem Walzmühle-Areal führte. Ein Glücksfall, betont Mia: «Ich schätze die Zusammenarbeit mit Hiag wegen ihres hohen Qualitätsanspruchs, der sich bis ins kleinste Detail, zum Beispiel in die Gestaltung der Broschüren, durchzieht.» Die Bauherrschaft habe ihr grosses Grundvertrauen entgegengebracht. Das verdankt die Innenarchitektin allem voran ihrer Arbeitsweise. Mia Kepenek ist nicht

 
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Rechte Seite oben Hohe, offene Räume und eine enge Verbindung von innen und aussen sind die Grundmerkmale der Lofthäuser.

Rechte Seite unten Die Oberlichter sorgen für zusätzliches Tageslicht. Alle acht Einheiten sind mit Boffi-Küchen ausgestattet.

 
 

nur für ihre visionären, bis ins Detail ausgearbeiteten Entwürfe bekannt, sondern auch für die penible Überwachung der Ausführung und für ihre kundenbezogene Arbeitsweise, die immer auch Wirtschaftlichkeit berücksichtigt. Budgets einzuhalten, ist Pflicht für die gebürtige Stuttgarterin, die 2012 ihr eigenes Designbüro in Zürich gründete. Ein weiterer Pluspunkt neben der Arbeitsweise ist ihr vielfältiger Background und das damit einhergehende Know-how. Nach einer Schreinerausbildung studierte sie Innenarchitektur und Szenografie, gestaltete Bühnenbilder und Filmsets, aber auch Ausstellungen und Interieurs. «Ich bin eine Perfektionistin», sagt Kepenek, was man der vor Energie sprudelnden Gestalterin aufs Wort glaubt. «In jedem Projekt steckt viel Arbeit, aber noch viel mehr Herzblut», fügt sie an. Die Innenarchitektin definierte zunächst verschiedene Wohnformen, also mögliche Modelle für ganz unterschiedliche Bewohner. «Ich überlegte mir, wer hier wohnen wird und welche Bedürfnisse an Raum und Funktionen diese Bewohner haben», erklärt sie. Denn eine Familie mit zwei Kindern habe ganz andere Bedürfnisse und Ansprüche als ein modernes junges Paar oder Golden Agers. Aufgrund dieser Analyse entstanden drei Grundtypen der Innenarchitektur, die sich leicht unterscheiden, im Grundsatz aber ähnlich sind. Am

groben Grundkonzept, das von Antoniol+Huber+Partner entwickelt wurde, nahm Kepenek gezielte Änderungen vor. So verlegte sie den ursprünglichen Standort der Küche, damit diese zusammen mit dem erhöhten Essbereich und dem Innenhof eine übergreifende, attraktive Wohnzone bildet. Die bühnenartige Plattform mit der Holztreppe war im ursprünglichen Konzept viel kürzer. Die Innenarchitektin verlängerte die Treppe über die ganze Raumlänge, wodurch das aussergewöhnliche Raumgefühl noch verstärkt wird. «Das Wichtigste an meiner Arbeit ist, eine Idee auf die Grundessenz herunterzukochen, sodass das Resultat klar zugänglich ist», erklärt die Gestalterin. Alle drei Lofthäusertypen sind doppelgeschossig und haben eine Wohnfläche von rund 180 m2. Besonders attraktiv sind die bis zu 6 m hohen Räume und der üppige Tageslichteinfall dank grosser Fenster und Oberlichter. Die Materialien sind schlicht-elegant. Im EG setzte die Innenarchitektin einen fugenlosen mineralischen Feinspachtelbelag ein, in den Schlafzimmern wählte sie hingegen Eichenparkett. «Die Dielen sind angeräuchert, was dem Holz ein elegantes Aussehen gibt», präzisiert Mia. Auffällig sind die gezielt gesetzten grossen Einbauschränke aus HPL-Platten. «Alle wollen heute in Lofts wohnen, aber Lofts bieten

leider selten Stauraum.» Weshalb die Bewohner dann oft die offenen Räume mit Schränken und Regalen verstellen und so den loftigen Charakter beeinträchtigen. Um dies zu verhindern, hat die Innenarchitektin die Lofthäuser mit grosszügigen, praktischen Stauraummöbeln ausgestattet. Ein genauer Blick auf die verwendeten Materialien im Badezimmer (S. 31) zeigt die Grundhaltung von Mia Kepenek. Hier hat sie je nach Wohnungstyp eine Wand mit handgefertigten lasierten Tonplatten oder Mikromosaikfliesen aus geschredderten TV-Screens gestaltet, ein Material mit einer aussergewöhnlichen Ausstrahlung; hochwertig und teuer. Bei den Bodenfliesen hingegen hat sie sich für ein relativ kostengünstiges Material entschieden. «Ich mische sehr gern luxuriöse, exklusive mit schlichten, günstigeren Materialien, denn genau das ist unsere Kompetenz: Immer auf dem neuesten Stand zu sein betreffend Materialinnovationen, und diese dann intelligent einzusetzen und zu kombinieren», erklärt Mia Kepenek und vergleicht ihre Interieurs mit Outfits, bei denen oftmals auch Accessoires von Luxusmarken mit Massenprodukten kombiniert werden. Damit das Resultat gelingt, brauchts ein gutes Raumgefühl, Know-how, Einfühlungsvermögen und Leidenschaft. Und daran mangelt es der Gestalterin der Lofthäuser nicht.

 
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PROJEKT

Architektur Antoniol+Huber+Partner, Frauenfeld, ahp-arch.ch Innenarchitektur
Mia Kepenek, Zürich, kepenek.ch
Bauherrschaft
Hiag Immobilien Schweiz AG, hiag.com

 
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Oben
Mia Kepenek war für die Innenarchitektur der acht Lofthäuser verantwortlich.

Links
Bis zu 6 m hoch sind die Räume in den Lofthäusern. Die Küche ist von Boffi.

Rechte Seite
Die Badezimmer wurden je nach Lofthaustyp unterschiedlich materialisiert. In diesem Beispiel wirkt eine blau geflieste Wand als Blickfang.

 
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Rechts
In einem der Bäder hat die Innenarchitektin luxuriöse Mikromosaikfliesen aus geschredderten TV-Screens mit kostengünstigen Bodenfliesen kombiniert.

Unten links
Die Konstruktion mit Sheddächern bringt viel Tageslicht in die zweigeschossigen Räume.

Unten rechts
Mit den Sichtbacksteinfassaden haben die Architekten Antoniol+Huber+Partner Bezug zu den umliegenden Industriegebäuden genommen. Für die Gestaltung des Innenhofs war die Firma Erni Gartenbau + Planung AG verantwortlich.

 
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